Es begann damit, dass ich ein paar Freunde zu einem Abendessen am Sonntagabend einladen wollte. Von Lamin erhielt ich die Zusage sofort, worauf er uns im gleichen Atemzug zu einer Geburtstagsfeier am Samstagabend einlud. Gerne nahm ich die Einladung an. Dann am Samstag ein Telefon von Lamin. Es tue ihm furchtbar leid, er habe sich im Tag geirrt, der Geburtstag der Schwester seiner Freundin sei ebenfalls am Sonntag und ob wir nicht die Einladung verschieben könnten und zum Geburtstag kommen würden. Kein Problem, verschieben wir die Einladung also. Ich freute mich auf die Geburtstagsparty, welche am Strand stattfinden sollte. Treffpunkt war um 18h30, damit noch bei Tageslicht gegrillt werden konnte.
Gesagt, gemacht. Um 18h30 waren wir am entsprechenden Strand. Abou hatte seine Instrumente mitgenommen, da die Musiker trommeln wollten. Der Strand war noch voller Leute, die den Tag am Meer verbracht hatten. Aber leider keine Spur von unseren Freunden. Wir suchten den Strand ab. Da kam Gaby auf uns zu. Er trug sein Ballaphon auf dem Rücken. Noch niemand da? Nochmals suchten wir den Stand ab, der sich langsam zu leeren begann. Nichts, niemand zu sehen. Wir setzten uns in die kleinen Bar am Stand. Dort begannen Abou und Gaby auf ihren Instrumenten zu spielen. Bald schon kam ein weiterer junger Musiker hinzu. Gemütlich, mit einem gekühlten Getränk in der Bar sitzend, genoss ich dieses spontane Konzert. Ballaphon, Bolong, Bass und Gesang. Durch die Musik angelockt begann sich die Bar langsam zu füllen. Die Leute begannen zu singen, zu klatschen und zu tanzen. Der Besitzer der Bar spendierte den Musikern einen Drink und ermunterte sie, weiter zu spielen. Ein kleines Fest entstand spontan. Von unseren Freunden keine Spur…..
Bei mir dachte ich, wenn der Geburtstag ein Flop werden sollte, habe ich wenigstens dieses kleine Fest genossen. Die Dämmerung brach an, langsam wurde es dunkel. Abou und Gaby beendeten ihre Darbietung. Unsere Freunde waren immer noch nicht gekommen. Wir überlegten uns bereits, wieder nach Hause zu gehen, als Lamin schwer beladen mit Plastiksäcken und ausser Atem erschien. Im Schlepptau seine Freundin, deren Schwester das Geburtstagskind und weitere Leute. Grosses Hallo, kilometerlange Entschuldigungen, dann Beratung, wo die Party steigen sollte. Für den Strand musste jedoch erst die Bewilligung im Dorf eingeholt werden. Plötzlich waren alle, bis auf das Geburtstagskind und die Freundin von Lamin verschwunden. Wieder warten, lange warten. Der Stand war inzwischen völlig verweist und leer. Dann endlich kamen sie zurück und wir wählten einen Platz bei den kleinen, jetzt leeren Verkaufsbuden. Inzwischen hatte sich Gaby, der ohne seine Freundin gekommen war, wieder verabschiedet. Mit ihm verschwand auch das Ballaphon, schade…….
Nun wurde unser Festplatz in Windeseile eingerichtet. Etwas schwierig, denn es war stockdunkel. Ein Feuer! Aber wo das Holz hernehmen? Einige Männer verschwanden und kehrten Minuten später mit Armen voller Holz zurück. Bald schon wurde unser Platz von einem warmen Lagerfeuer erleuchtet. Daneben gillierte Lamin die Fische auf dem mitgebrachten Grill. Kaum 30 Minuten nachdem wir den Platz besetzt hatten, bekam ich auch schon einen Teller mit Salat, Brot und Fisch gereicht. Genussvoll begann ich meinen inzwischen knurrenden Magen zum Schweigen zu bringen. Zum Dessert bekam jeder sogar ein winziges Stück Geburtstagstorte.
Satt und zufrieden begannen die Musiker zu trommeln. Da Gaby bereits nach Hause gegangen war, spielten Abou mit der Basstrommel und Lamin die Djembe. Die Frauen begannen zu tanzen. Eine wundervolle Szene: Sandstrand, die leisen Wellen des Meeres, das Lagerfeuer und die schwarzen Menschen darum herum, tanzend, klatschend und singend. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Vollmond, der alles in ein silbriges Licht hüllte. Die Trommelklänge lockten die Leute aus dem Dorf zu uns. Junge Burschen mit weiteren Djembes, das Orchester wurde verstärkt. Die Dynamik begann zu steigen, die Rhythmen wurden schneller, lauter. Die Körper der jungen Frauen begannen sich wild und exstatisch zu bewegen. Arme, Beine flogen hoch in die Luft, dazu schrille Schreie, Klatschen, welche die Tänzerinnen anfeuerten. Dann plötzlich der grosse Sprung eines jungen Mannes in die Mitte des Kreises, sein Tanz wild und schnell. Die rhythmischen Schreie und das Klatschen steigerten sich. Ich hatte das Gefühl, von der Dynamik fort gerissen zu werden, inmitten der Trommelklänge zu vibrieren, über mir der Mond, zu meinen Füssen der Sand und das Wasser. Dann ein Break, der das Ganze beendete. Atemlos standen die Tänzerinnen herum, lachten und scherzten. Es wurde geplaudert, etwas getrunken. Einer der Musiker begann auf seinem Instrument mit einem neuen Rhythmus, andere fielen ein, die Spannung steigerte sich, bis ein weiterer Break das Ende setzte. In einer Pause dann begeisterte Rufe: Die Kora kommt!
Richtig, der Koraspieler des Dorfes kam gemächlich auf unsere Gruppe zu. Nun wurde die Musik zart und leise. Die warmen Klänge der Kora schwebten bis hinauf zum Mond, begleitet von den leisen Gesängen der Versammelten und den sanften Rhythmen der Trommeln. Eine andere Dynamik entstand: romantisch, wehmütig, bluesig. Die Tänzerinnen hatten sich erschöpft in den Sand gesetzt, einen Kreis um das Feuer gebildet. Dann die ersten, die sich verabschiedeten, der Abend verklang, die Musik entschwebte sanft mit den Klängen des letzten Liedes…..
Geburtstag auf senegalesisch oder es wird schon alles richtig kommen, Insh Cha Allah…..
Im Oktober 2003
So geschrieben, dass die Dynamik auf mein abendländisches Alligatorenblut überspringt.
Wunderbar zu lesen, zu fühlen.
Ein wenig wie dabeiseindürfen ist das.
Alles braucht seine Zeit, seinen Ort, um sich entfalten zu können.
Ist die Hoffnung erst einmal aufgegeben, findet sich eine nach der anderen ein und wird Musik, Bewegung und Tanz.
Danke fürs Teilhabenlassen.
Nun cooldown und gute Nacht…
Liebe Grüße✨
Liebe Karfunkelige
Herzlichst ein Dankeschön für Ihre Rückmeldung. Schön, dass meine Worte sie haben tanzen lassen. Ja, das ist das Afrika, das ich so liebe. Immer wieder erwächst dem vermeintlichen Chaos etwas Wundervolles, Intensives. Vielleicht gerade deshalb, weil man nicht mehr damit rechnet? 😉
Ihnen, nach einer hoffentlich guten Nacht, einen friedlichen Sonntag. Herzliche, wenn auch überhitzte Grüsse aus einem viel zu heissen Dakar, Ihre Mme Ruth
Bezaubernd, verführerisch, ich möchte nun mittanzen, mitdynamisieren und sehe alles vor mir…
Wahrlich eine kleine Auszeit, die Sie hier teilen, die Stellen des Wartens überlese ich heute einfach, da bin ich gerade nicht gut darin.
Frische Herbstgrüße aus der Leisedämmerung im lieblichen Lipperland, Ihre Frau Knobloch, zugeneigt.
Liebe Frau Knobloch
Wunderbar, wenn ich Menschen dazu bringen kann, mit mir zu träumen. Mit mir unter dem Mond zu tanzen. Lebensfreude pur. Eine grosse Qualität meines Afrikas. Ich liebe es gerade auch deshalb!
Ihnen allerherzliebste Grüsse in den Herbst
Ihre Mme Ruth