Afrikafeeling


Afrika, das ist für mich barfuss im Sand laufen, Wärme, Sonne, viele verschiedene, intensive Gerüche, Zeit haben, Fröhlichkeit, Lachen, Lebendigkeit, Weinen, Rufen, Musik, Singen, immer schmutzige Hände, Staub, Schweiss, Dreck, wunderschöne Natur, Hitze, Gelassenheit, Gastfreundschaft, Intensität, Kommunikation, Miteinander…..

Vor meinem geistigen Auge erscheinen diese wunderschönen, hochgewachsenen, schlanken Frauengestalten, die Männer, gross und aufrecht in ihren farbigen Boubous. Kinder, die mit allem und jedem spielen, auf den Strassen herumrennen und überall den Fussball kicken. Vor den Häusern sitzen im Schatten eines Baumes, die Männer zusammen, plaudern und trinken Ataya, starken süssen Grüntee. Frauen waschen im Hof die Wäsche, welche danach farbig im Wind flattert. Sie kochen auf einem Holzkohlefeuer, stampfen die Hirse mit dem Mörser, das Baby auf dem Rücken. Klatschen und singen dazu im Takt. Überall Lachen und Singen. Dazwischen eine wütende Frauenstimme, welche lautstark ein Kind ausschimpft, klatschende Schläge, Kinderweinen, dann wieder Lachen und Singen. Ein Kind drückt sich mit verweintem Gesicht in eine Ecke des Hofes und schmollt vor sich hin. Dann seine grosse Schwester, die zu ihm geht und es an der Hand zu den andern führt.

Zur Post gehen heisst, sich Zeit nehmen. Lange Schlangen, endlos warten. Am Schalter wird in Zeitlupe gearbeitet. Quälend langsam werden die entsprechende Anzahl Briefmarken herausgesucht. Die Leute vor dem Schalter warten geduldig. Einige plaudern zusammen, andere sehen auf die Uhr, seufzen. Dann ein junger Mann, ungeduldig und in schnellem Schritt kommt er herein, sieht sich um und geht zielstrebig an der Schlange vorbei, drängt sich direkt vor mir in die Schlange. Ich stelle mich demonstrativ wieder vor ihn. Schliesslich warte ich ja auch schon eine ganze Weile. Er grinst nur. Als ich dann an der Reihe bin, drängt er sich schnell auf Wolof vor. Ich verstehe kein Wort. Kann nicht eingreifen, etwas dazwischensagen. Die Frau hinter dem Schalter beginnt mit ihm zu plaudern, während sie ihn bedient. Ich muss also nochmals warten. Ich lasse es bleiben, mich zu wehren, da dies hier als Unhöflichkeit angesehen würde. Ein Herr hinter mir macht eine Bemerkung zu mir über die Jugend und dass dieser Mann sehr unhöflich sei. Ich grinse nur, warte eben weiter. Endlich kann ich meine Marken kaufen.

Zu Fuss unterwegs, werde ich von allen möglichen Menschen gegrüsst, angelacht oder auch angesprochen. Ich lebe schon lange hier, man sieht mir an, dass ich nicht neu bin. Die Leute lassen mich in Ruhe. Auch wird mir sofort Hilfe angeboten, wenn ich welche brauche. Sei es ob ich mit dem Auto im Sand stecken geblieben bin oder ob ich eine schwere Tasche tragen muss.

In meiner Strasse sitzen die Leute vor dem Haus im Schatten. Es wird gemütlich geplaudert, oft dabei Ataya (Tee) gekocht. Kinder spielen Fussball, Hunde schlafen in aller Seelenruhe zusammengerollt am Strassenrand. Auch hier wieder Lachen, Rufen, Fröhlichkeit. Der Afrikaner ist laut, er gibt seiner Freude lauthals Ausdruck. Das stört hier niemand. Keiner reklamiert. Unbeteiligte Passanten lachen, bleiben manchmal stehen und plaudern mit.

Die Zeit ist in Afrika nicht so wichtig. Es kommt ja immer mehr nach. Was heute nicht klappt, das kann man morgen auch noch erledigen. Wenn ich mich verabrede, hoffe ich immer, dass ich nicht zu lange warten muss. Bin sehr erstaunt, wenn jemand pünktlich ist. Verspätungen werden mit grossem Gleichmut und manchmal auch Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen. Wenn ich mich nerve, weil ich Zeit verliere, ernte ich Unverständnis oder sie finden es lustig, dass ich mich wegen verlorener Zeit aufrege. So habe ich mich denn angepasst, indem ich mit Verspätungen rechne. Immer ist etwas zu Lesen in meiner Tasche. wo auch immer ich warten muss, setzte ich mich und schmökere. Dann bin ich meinst enttäuscht, wenn die Wartezeit schon vorbei ist. Und unter uns, was ist schon so schlimm daran, wenn ich eine Rechnung erst morgen oder übermorgen bezahle? Hauptsache ich zahle!

Der Gleichmut der Afrikaner ist beispiellos. Immer glauben sie dass sich alles zum Guten wenden wird. Sind dabei guten Mutes und fest überzeugt, dass das Problem gelöst werden kann. Selten verzweifelt mal jemand, wenn etwas nicht sofort geht. Es ist zwar unangenehm, wenn der Strom abgestellt wurde, weil man die Rechnung nicht bezahlen konnte, doch irgendwann wird man wieder Geld haben, dann kommt auch der Strom wieder. Inzwischen benutzt man halt Kerzen.

Leider wird ebenso passiv auf eine Besserung bei Krankheit gewartet. Oft fehlt das Geld, um zum Arzt zu gehen oder um Medikamente zu kaufen. Doch auch der Tod ist von Gott gewollt. Man fügt sich in sein Schicksal. Akzeptiert es, wenn auch mit schwerem Herzen und mit viel Trauer.

Es ist diese Akzeptanz, die dem Leben in Afrika eine völlig andere Dynamik gibt. Ich erlebe die Menschen weniger unzufrieden oder griesgrämig. Schnell finden die meisten wieder ihr bezauberndes Lachen. Sie vergeben einander Fehler und verwinden Verluste erstaunlich schnell. Afrikaner sind unverbesserliche Optimisten, Lebenskünstler. Für sie ist nie etwas zu hoch, zu tief, zu schwierig oder zu unmöglich. Wenn Gott will, kann er sogar Unmögliches möglich machen….

 

16 Gedanken zu “Afrikafeeling

  1. Ein Liebeslied auf Afrika … so schön gesungen von dir liebe Ruth.
    Hast du fantastisch geschrieben, mit Herzblut, man spürt, dass du dich wohlfühlst in deiner neuen Heimat.
    Schönen Abend noch
    Herzlichst Ede

    1. Guten Morgen Ede
      Herzlichen Dank für Dein Kompliment, das mich sehr freut. Ja, es ist Herzblut dabei, ohne Frage. Ohne diese lebensfrohen und spontanen Menschen könnte ich nicht mehr leben! 😀
      Wünsche Dir einen schönen Tag
      Mme Ruth

  2. Dieser uns hier völlig fehlende Gleichmut ist auch Weisheit, es spürt sich so an… Ein schönes Bild hast Du mir von Deinem Afrika ins Haus gebracht, danke dafür…

    1. Keine Ursache, Tristan. Es freut mich, wenn ich Dir mein Afrika näher bringen kann.
      Sicher, ist es auch nervig, wenn alles nur vielleicht klappt, wenn man endlos warten muss. Es hat jedoch auch Qualität! Das wollte ich hiermit ausdrücken. Ob es Weisheit ist, das kann ich kaum beurteilen. Es ist aber sicher ein sich dem Schicksal ergeben, nehmen, was kommt und akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Ein krasser Gegensatz zum Machbarkeits-Wahn der Industriestaaten. Insofern hat es vielleicht doch mit Weisheit zu tun?
      Liebe Grüsse aus Dakar
      Mme Ruth

      1. Ich denke, ja… wir sind hier so am Rasen und haben aus den Augen verloren, was wirklich wichtig ist…

    1. Liebe Gudrun
      Sorry, Dein Kommentar ist mir völlig unter den Tisch gefallen!
      Ja, wir beide wissen, wovon ich hier spreche! 😉
      Ich wünsche Dir weiterhin viel Afrikafeeling, bis bald!
      Herzliche Grüsse nach Mbour
      Mme Ruth

  3. Liebe Ruth, ich beneide und bewundere Dich – die weisse Afrikanerin – immer wieder.
    Immer wieder lese ich in einem kleinen Büchlein von Wilhelm Schmid. Titel: „Gelassenheit“, „Was wir gewinnen, wenn wir älter werden“ (falls von Interesse: Insel Verlag ISBN 978-3-458-17600-8/18. Auflage).
    Nicht dass ich denke, dass Du es nötig hättest es zu lesen, nur weil es mir auf meinem Weg zu noch mehr Gelassenheit viel Bestätigung gibt.
    Herzliche Grüsse
    René

  4. Hallo René
    Ich freue mich, wenn Dir mein Text gefallen hat.
    Mit der Gelassenheit ist es so, dass ich es auch nicht immer schaffe. 😉
    Bleibe aber dran, kann ja eh nichts ändern.
    Liebe Grüsse in die Schweiz
    Mme Ruth

  5. Hallo liebe Ruth, danke für Deine neue Geschichte! Ja, Du bist eine weise Afrikanerin geworden!!!!! Die Sache am Postschalter finde ich doch sehr lustig : entweder mußten die Briefmarken noch gedruckt werden und/oder die haben an den Fingern geklebt und waren kaum
    abzukriegen. Könnte sein. Ich habe viel von meinen Senegalesen hier gelernt : Geduld, Miteinander und Füreinander, Frohsinn ! Meine Vorfahren stammen aus West- u. Ostpreussen ( Danzig und Elbing)
    auch sie mußten Geduld lernen. Und dann noch mal( Flucht aus der DDR). Unser Anfang im goldenen Westen war nicht einfach! Wir haben
    das Leben angepackt und waren geduldig. Man muß das Leben leben wie es kommt! Nicht gleichgültig sein, nicht wegsehen, helfend eingreifen wenn es nötig ist und dankbar sein trotz allem!
    Herzliche Grüße von Christel

  6. Liebe Christel
    Ganz zuerst entschuldige bitte, dass ich erst jetzt antworte. Ich war eine ganze Weile nicht hier.
    Danke für Dein Kompliment, das mich sehr freut.
    Ja, Du hast es auch erlebt, bei einem Neuanfang muss man die Dinge auf sich zukommen lassen.
    Auf dass wir das Leben lebendig leben! 😉
    Herzliche Grüsse aus dem Süden
    Mme Ruth

  7. Hallo liebe Ruth,

    toll geschrieben, obwohl ich selbst nie in Afrika war, kann ich Deine Zeilen nur bestätigen, aus Erlebtem in Büchern über Afrika, von Menschen, die dort waren, aber auch von Afrikanern selbst. Das Unmögliche möglich machen mit entsprechender Freude und Gelassenheit dabei, bewunderswert. Vielleicht hilft die Sonne ein wenig mit, denn als ich ne zeitlang auf den Kanaren verweilte, wo fast immer die Sonne schien, zauberte sie mir ein Dauerlächeln ins Gesicht. In sofern setze ich Deinen Beitrag mal in Kulturnews, werde des öfteren hier vorbeischauen.

    Herzliche Grüße, Lotar

    1. Guten Tag Lotar
      Besser spät als nie möchte ich Dir endlich auf Deinen netten Kommentar antworten.
      Ja, ich denke, es hat mit der Sonne zu tun, aber auch mit viel Licht, Wärme, unter freiem Himmel leben. Die Menschen sitzen vor ihren Häusern, nicht drinnen. Sie begegnen sich und dadurch entsteht sicher auch diese leichte, fröhliche Kommunikation mit allen und jedem. Es wird dabei viel gelacht, das erhöht die Freude am Leben.
      Diese Leichtigkeit ist wirklich bewundernswert. Wird von mir noch nicht (oder vielleicht nie ganz) gelebt. Aber ich arbeite daran! 😀
      Ich wünsche Dir einen wundervollen, sonnigen Sonntag, bis bald!
      LG Mme Ruth

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